Entrepreneurship through Acquisition in der Schweiz

Entrepreneurship through Acquisition (ETA) bietet in der Schweiz eine attraktive Möglichkeit zur Unternehmensnachfolge und zum Einstieg in die Selbstständigkeit durch den Erwerb bestehender Unternehmen.

Die Schweiz mit ihrer robusten und diversifizierten Wirtschaft steht vor einer signifikanten Herausforderung: Tausende von KMU benötigen in den kommenden Jahren eine Nachfolgelösung. Entrepreneurship through Acquisition (ETA) etabliert sich in diesem Kontext als vielversprechender Ansatz, der sowohl Unternehmern als auch Verkäufern neue Perspektiven eröffnet. Dieser Artikel beleuchtet die Besonderheiten von ETA im Schweizer Wirtschaftsumfeld, zeigt Chancen und Herausforderungen auf und gibt praktische Einblicke für Interessierte.

Entrepreneurship through Acquisition im Schweizer Kontext

Die Schweiz mit ihrer starken KMU-Landschaft bietet ein ideales Umfeld für Entrepreneurship through Acquisition. Unter ETA versteht man den gezielten Erwerb eines bestehenden Unternehmens durch einen unternehmerisch orientierten Käufer, der anschliessend die operative Führung übernimmt und das Unternehmen weiterentwickelt. Anders als bei herkömmlichen Start-ups springt der Unternehmer nicht bei null an, sondern übernimmt ein funktionierendes Geschäftsmodell mit bestehenden Kunden, Mitarbeitern und Cashflows.

Die Schweizer Wirtschaftsstruktur mit über 590'000 KMU, die 99.8% aller Unternehmen ausmachen und zwei Drittel aller Arbeitnehmer beschäftigen, bietet ein enormes Potenzial für dieses Modell. Schätzungen zufolge werden in den nächsten fünf Jahren etwa 80'000 Schweizer KMU eine Nachfolgelösung benötigen.

Der Schweizer ETA-Markt: Besonderheiten und Struktur

Die Schweiz unterscheidet sich in mehreren Aspekten von anderen ETA-Märkten:

  1. Hohe Unternehmensbewertungen: Schweizer KMU werden oft zu höheren Multiples bewertet als vergleichbare Unternehmen in Nachbarländern, was höhere Anfangsinvestitionen erfordert.

  2. Multilinguales Umfeld: Die vier Sprachregionen erfordern oft spezifische kulturelle und sprachliche Kompetenzen, bieten aber auch Chancen für international orientierte ETA-Unternehmer.

  3. Stabiles wirtschaftliches Umfeld: Die politische und wirtschaftliche Stabilität der Schweiz bietet günstige Rahmenbedingungen für langfristige Investments.

  4. Internationale Ausrichtung: Viele Schweizer KMU sind trotz ihrer Grösse international tätig, was besondere Anforderungen, aber auch Wachstumschancen bietet.

  5. Konservative Finanzierungskultur: Schweizerische Finanzinstitute sind traditionell zurückhaltender bei Leveraged Buyouts, was alternative Finanzierungsstrukturen erfordert.

Typische ETA-Modelle in der Schweiz

In der Schweiz haben sich mehrere ETA-Varianten etabliert:

Traditioneller Search Fund

Nach amerikanischem Vorbild sammeln "Searcher" Kapital von Investoren ein, um gezielt nach einem Übernahmekandidaten zu suchen. Die Besonderheit in der Schweiz liegt in der oft stärkeren Einbindung lokaler Investoren, die mit dem regionalen Wirtschaftsumfeld vertraut sind.

Besonders verbreitet in der Schweiz ist der selbstfinanzierte Search, bei dem der Unternehmer die Suchphase aus eigenen Mitteln bestreitet und erst für die Akquisition externe Investoren einbindet. Dies entspricht dem Schweizer Unternehmertum, das traditionell Wert auf Unabhängigkeit und Eigenverantwortung legt.

Family Office-unterstützte ETA

Eine Schweizer Besonderheit ist die zunehmende Beteiligung von Family Offices an ETA-Projekten. Die zahlreichen vermögenden Familien in der Schweiz suchen nach alternativen Anlagemöglichkeiten und unterstützen ETA-Unternehmer sowohl finanziell als auch mit ihrem Netzwerk und ihrer Expertise.

Branchenspezifische ETA-Initiativen

In der Schweiz entstehen vermehrt branchenspezifische ETA-Initiativen, besonders in Sektoren wie Präzisionstechnik, Medizintechnologie und IT-Dienstleistungen, wo besondere Fachkenntnisse erforderlich sind.

Der ETA-Prozess in der Schweiz

Der ETA-Prozess in der Schweiz folgt im Wesentlichen internationalen Standards, weist jedoch einige Besonderheiten auf:

  1. Vorbereitungsphase: Neben der üblichen Positionierung umfasst dies in der Schweiz oft den Aufbau spezifischer regionaler Netzwerke und gegebenenfalls den Erwerb zusätzlicher Sprachkompetenzen.

  2. Suchphase: Die Suche nach geeigneten Übernahmekandidaten erfolgt in der Schweiz häufig über spezialisierte M&A-Berater, Treuhänder und Branchenverbände, da viele Unternehmen diskret verkauft werden.

  3. Due Diligence: Aufgrund der hohen Unternehmensbewertungen ist die Due Diligence in der Schweiz besonders gründlich und umfasst neben finanziellen auch kulturelle Aspekte wie die Integration in regionale Wirtschaftsstrukturen.

  4. Finanzierung: Typisch für die Schweiz sind konservativere Finanzierungsstrukturen mit höherem Eigenkapitalanteil, oft kombiniert mit Verkäuferdarlehen und klassischer Bankfinanzierung.

  5. Übernahmephase: Schweizer Unternehmensverkäufer legen besonderen Wert auf eine sorgfältige Übergangsphase, die oft länger dauert als in anderen Märkten und durch klar strukturierte Übergabeprotokolle begleitet wird.

Rechtliche und steuerliche Rahmenbedingungen

Die Schweizer Rahmenbedingungen bieten sowohl Vor- als auch Nachteile für ETA:

Vorteile

  • Unternehmensfreundliches Steuersystem: Moderate Unternehmensbesteuerung und günstige Regelungen für Kapitalgewinne
  • Flexible Arbeitsmarktregulierung: Ermöglicht angemessene Anpassungen nach der Übernahme
  • Effiziente Verwaltungsprozesse: Schnellere behördliche Genehmigungen und geringere bürokratische Hürden
  • Rechtssicherheit: Hohes Mass an Verlässlichkeit in der Vertragsgestaltung und -durchsetzung

Herausforderungen

  • Kantonale Unterschiede: Unterschiedliche steuerliche und rechtliche Bedingungen je nach Kanton
  • Strenge Due-Diligence-Anforderungen: Hohes Mass an Sorgfaltspflicht beim Unternehmenskauf
  • Besondere Regelungen bei bestimmten Branchen: Zusätzliche Genehmigungen in regulierten Sektoren
  • Arbeitsbewilligungen: Potenzielle Hürden für ausländische ETA-Unternehmer ohne Schweizer Pass oder EU/EFTA-Staatsangehörigkeit

Finanzierung von ETA in der Schweiz

Die Finanzierung von ETA-Vorhaben in der Schweiz weist einige Besonderheiten auf:

Eigenkapital

Schweizer ETA-Transaktionen werden typischerweise mit einem höheren Eigenkapitalanteil finanziert (oft 30-50%) als in anderen Märkten. Quellen sind:

  • Private Investoren und Business Angels
  • Family Offices
  • Spezialisierte ETA-Investoren und -Fonds
  • Institutionelle Investoren mit KMU-Fokus

Fremdkapital

Bei der Fremdfinanzierung spielen folgende Quellen eine Rolle:

  • Kantonalbanken und Regionalbanken, die oft lokale KMU besonders unterstützen
  • Verkäuferdarlehen, die in der Schweiz eine wichtige Komponente darstellen
  • Alternative Finanzierungsformen wie Mezzanine-Kapital
  • Bürgschaftsgenossenschaften für kleinere Transaktionen

Schweizer Besonderheiten

  • Earnout-Modelle: Häufiger Einsatz erfolgsabhängiger Kaufpreiskomponenten
  • Stufenweise Übernahmen: Schrittweise Eigentumsübertragung über mehrere Jahre
  • Garantien und Sicherheiten: Höhere Anforderungen als in anderen Märkten

Vorteile von ETA in der Schweiz

Für ETA-Unternehmer

  • Qualitativ hochwertige Übernahmeziele: Schweizer KMU zeichnen sich oft durch solide Geschäftsmodelle, Innovationskraft und internationale Ausrichtung aus
  • Stabiles wirtschaftliches Umfeld: Geringere makroökonomische Risiken
  • Zugang zu Talenten: Hochqualifizierte Arbeitskräfte und exzellentes Bildungssystem
  • Innovationsfreundliches Ökosystem: Starke Verbindungen zu Forschungseinrichtungen und Hochschulen
  • Internationales Umfeld: Ideale Basis für internationale Expansion

Für Unternehmensverkäufer

  • Nachhaltige Nachfolgelösung: Fortführung des Unternehmens durch engagierte Unternehmer
  • Kulturelle Kontinuität: Erhalt der Unternehmenskultur und -werte
  • Attraktive Bewertungen: Oft höhere Bewertungen als bei rein finanziellen Käufern
  • Flexible Übergabemodelle: Möglichkeit einer schrittweisen Übergabe

Für Investoren

  • Zugang zu stabilen KMU-Investments: Beteiligung an gut etablierten Unternehmen mit solidem Track Record
  • Diversifikation: Ergänzung zu traditionellen Anlageformen
  • Überdurchschnittliche Renditen: Historisch attraktive Renditen bei ETA-Investments
  • Positive wirtschaftliche und gesellschaftliche Wirkung: Beitrag zur Lösung der Nachfolgeproblematik

Herausforderungen und Erfolgsfaktoren

Zentrale Herausforderungen

  1. Hohe Eintrittsbarrieren: Erheblicher Kapitalbedarf und spezifische Qualifikationsanforderungen
  2. Kulturelle Integration: Besonders in einem multikulturellen Land wie der Schweiz entscheidend
  3. Wettbewerb um attraktive Übernahmeziele: Zunehmende Konkurrenz durch PE-Fonds und strategische Käufer
  4. Regionale Unterschiede: Notwendigkeit, die spezifischen kantonalen und regionalen Besonderheiten zu verstehen
  5. Preisfindung: Oft divergierende Preisvorstellungen zwischen Verkäufern und Käufern

Erfolgsfaktoren für ETA in der Schweiz

  1. Lokale Verankerung: Aufbau starker regionaler Netzwerke und Verständnis der lokalen Geschäftskultur
  2. Branchenexpertise: Fokussierung auf Sektoren mit eigener Erfahrung oder spezifischem Know-how
  3. Finanzielle Solidität: Konservative Finanzierungsstrukturen mit ausreichenden Reserven
  4. Kulturelle Sensibilität: Respekt für die bestehende Unternehmenskultur und -geschichte
  5. Langfristige Perspektive: Fokus auf nachhaltige Entwicklung statt kurzfristige Optimierung

Schweizer ETA-Fallstudien

Fallstudie 1: Präzisionstechnik im Mittelland

Ein ehemaliger Industriemanager übernahm ein Präzisionstechnikunternehmen mit 45 Mitarbeitern im Schweizer Mittelland. Die Finanzierung erfolgte durch eine Kombination aus Eigenkapital von lokalen Investoren, einem Verkäuferdarlehen und einer Finanzierung durch die Kantonalbank. Der Übergabeprozess wurde über 18 Monate gestaffelt, wobei der Verkäufer zunächst als Berater an Bord blieb. Drei Jahre nach der Übernahme konnte der Umsatz um 35% gesteigert und die Internationalisierung durch Erschliessung neuer Märkte in Asien vorangetrieben werden.

Fallstudie 2: IT-Dienstleister in der Westschweiz

Eine Gruppe von zwei ehemaligen Beratern übernahm einen IT-Dienstleister mit Fokus auf Banken und Versicherungen in der Westschweiz. Die Transaktion wurde durch einen Self-funded Search initiiert und mit Unterstützung eines Family Office sowie einer Gruppe von Business Angels finanziert. Besondere Herausforderungen lagen in der Integration unterschiedlicher Unternehmenskulturen und der Einführung neuer Dienstleistungsbereiche. Nach der Übernahme wurde das Geschäftsmodell erfolgreich um Cloud-Services erweitert und die Mitarbeiterzahl von 25 auf 40 erhöht.

Fallstudie 3: Tourismusunternehmen in Graubünden

Ein internationaler Entrepreneur mit Erfahrung im Tourismussektor übernahm ein traditionsreiches Tourismusunternehmen in Graubünden. Die Besonderheit lag in der komplexen Stakeholder-Struktur mit Beteiligung der Gemeinde und lokaler Wirtschaftsverbände. Die Übernahme wurde durch ein innovatives Finanzierungsmodell mit Community-Beteiligung realisiert. Der neue Eigentümer führte ein digitales Buchungssystem ein und entwickelte neue Ganzjahresangebote, was zu einer Reduktion der Saisonalität und einer Umsatzsteigerung von 40% innerhalb von vier Jahren führte.

ETA-Ökosystem in der Schweiz

In den letzten Jahren hat sich in der Schweiz ein zunehmendes Ökosystem rund um ETA entwickelt:

Bildungseinrichtungen

  • Spezialisierte Programme an Business Schools wie IMD, HSG St. Gallen und HEC Lausanne
  • Executive Education-Angebote mit Fokus auf Unternehmensübernahme und -nachfolge
  • Workshops und Seminare von Wirtschaftsverbänden

Beratungsdienstleister

  • Spezialisierte M&A-Berater mit Fokus auf KMU-Transaktionen
  • Treuhänder und Wirtschaftsprüfer mit Expertise in Due Diligence
  • Rechtsanwälte mit Spezialisierung auf Unternehmenstransaktionen

Netzwerke und Communities

  • ETA-Plattformen wie Swiss Search Fund Association
  • Alumni-Netzwerke von Business Schools
  • Regionale Unternehmernetzwerke und Verbände
  • Spezialisierte Investment-Communities und Angel-Investoren-Gruppen

Staatliche Unterstützung

  • Informations- und Beratungsangebote der kantonalen Wirtschaftsförderungen
  • Programme zur Förderung der Unternehmensnachfolge durch kantonale Stellen
  • Bürgschaftsgenossenschaften zur Erleichterung der Finanzierung

Zukunftsperspektiven für ETA in der Schweiz

Für die Zukunft von ETA in der Schweiz zeichnen sich folgende Trends ab:

  1. Wachsende Professionalisierung: Entstehung spezialisierter Dienstleister und standardisierter Prozesse

  2. Sektorspezifische Spezialisierung: Zunehmende Fokussierung von ETA-Unternehmern auf spezifische Branchen und Nischen

  3. Internationalisierung: Verstärktes Interesse internationaler ETA-Unternehmer am Schweizer Markt und gleichzeitig Expansion Schweizer ETA-Unternehmen ins Ausland

  4. Alternative Finanzierungsmodelle: Entwicklung innovativer Finanzierungsstrukturen wie ETA-spezifische Fonds und hybride Kapitalformen

  5. Digitalisierungsfokus: Verstärkter Fokus auf die digitale Transformation übernommener Unternehmen als Wertsteigerungsstrategie

  6. ESG-Integration: Zunehmende Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten bei der Unternehmensübernahme und -führung

Praxistipps für ETA in der Schweiz

Für Unternehmer, die in der Schweiz den ETA-Weg beschreiten möchten, sind folgende Aspekte besonders zu beachten:

  1. Regionale Netzwerke aufbauen: Frühzeitig Kontakte zu lokalen Wirtschaftsverbänden, Treuhändern und Banken herstellen

  2. Mehrsprachigkeit als Vorteil nutzen: Sprachkenntnisse in Deutsch, Französisch oder Italienisch je nach Zielregion aufbauen

  3. Konservative Finanzplanung: Ausreichende Kapitalreserven für unvorhergesehene Entwicklungen einplanen

  4. Kulturelles Due Diligence: Neben finanziellen auch kulturelle Aspekte in der Unternehmensanalyse berücksichtigen

  5. Langfristige Beziehung zum Verkäufer aufbauen: In der Schweiz sind vertrauensvolle Beziehungen besonders wichtig für erfolgreiche Transaktionen

  6. Regionale Besonderheiten berücksichtigen: Kantonale Unterschiede bei Steuern, Fördermöglichkeiten und Geschäftskultur beachten

  7. Nachfolgeplanung bereits beim Kauf mitdenken: Frühzeitig Strukturen für die eigene Nachfolge oder einen eventuellen Exit entwickeln

Fazit

Entrepreneurship through Acquisition entwickelt sich in der Schweiz zu einer immer wichtigeren Alternative sowohl für unternehmerisch orientierte Personen als auch für Unternehmensverkäufer. Das Schweizer Wirtschaftsumfeld mit seiner starken KMU-Landschaft, dem hohen Innovationsgrad und der internationalen Ausrichtung bietet ideale Voraussetzungen für erfolgreiche Unternehmensübernahmen.

Die Besonderheiten des Schweizer Marktes erfordern spezifische Herangehensweisen, bieten aber auch einzigartige Chancen. Mit der richtigen Vorbereitung, einem starken lokalen Netzwerk und einem langfristigen, nachhaltigen Ansatz kann ETA in der Schweiz sowohl für Unternehmer als auch für Investoren überdurchschnittliche Ergebnisse erzielen und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Lösung der Nachfolgeproblematik im Schweizer KMU-Sektor leisten.

Für angehende ETA-Unternehmer bietet die Schweiz nicht nur einen attraktiven Markt mit hochwertigen Übernahmekandidaten, sondern auch ein zunehmend ausgereiftes Ökosystem an Unterstützungsangeboten. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie sich dieser vielversprechende Ansatz in der Schweizer Unternehmenslandschaft weiter etablieren und entwickeln wird.

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