Wie kompliziert ist es, eine Unternehmensbörse zu bauen?
Von Blazor-Overkill bis WordPress-Plugins: Die häufigsten technischen Fallstricke beim Aufbau von Unternehmensbörsen und warum 60+ deutsche Plattformen trotzdem scheitern.
In Deutschland gibt es inzwischen über 60 Webseiten, die Unternehmen zum Verkauf listen. Von klassischen schwarzen Brettern bis hin zu ausgereiften Börsen mit Login-Bereichen und komplexen Matching-Algorithmen.
Seit wir viaductus.de aufbauen, sind mehrere neue Börsen an den Start gegangen. Neben den klassischen Go-to-Market-Problemen (zweiseitige Marktplätze sind notorisch schwer zu wachsen) gibt es auch eine Menge technischer Fallstricke, die einem zum Verhängnis werden können.
Nach drei Jahren Entwicklung und dem Beobachten zahlreicher gescheiterter Konkurrenten haben wir die häufigsten Fehler identifiziert - und unsere eigenen Learnings daraus gezogen.
Agenturen: Teuer und zu weit weg von der Vision
Das Problem der großen Iterationen: Agenturen arbeiten in großen Sprüngen. Sie nehmen Ihr Briefing, verschwinden für 2-3 Monate und kommen mit einem MVP zurück, das bereits veraltet ist. Die kleinen, entscheidenden Iterationen - die bei Marktplätzen über Erfolg und Scheitern entscheiden - bleiben auf der Strecke.
Zu weit weg vom echten Problem: Eine Agentur baut, was Sie beschrieben haben, nicht was der Markt braucht. Ohne direkten Nutzerkontakt entstehen Features, die niemand nutzt, während kritische Pain Points ungelöst bleiben.
Kostenfalle: Was mit 50.000 Euro startet, wird schnell zu 150.000 Euro. Änderungen sind teuer, Anpassungen dauern Wochen, und am Ende haben Sie ein System, das schwer wartbar ist.
Enterprise Software Stack: Overkill für Marktplätze
Blazor: Enterprise-Hammer für Consumer-Nägel
Wir haben Konkurrenten gesehen, die Blazor für ihre Unternehmensbörse einsetzen. Das Ergebnis: Login-Fehler bereits auf der Startseite, schiefe Buttons und Mobile-Ansichten, die unbenutzbar sind. Blazor mag für interne Unternehmensanwendungen funktionieren, aber für kundenorientierte Marktplätze ist es wie mit einem Panzer Brötchen holen zu gehen.
Java Backend: Langsam und überkompliziert
Java Enterprise-Stacks bringen eine Komplexität mit, die kleine Teams überfordert. Spring Boot, Hibernate, komplexe Application Server - alles Technologien, die für Banken entwickelt wurden, nicht für agile Marktplätze. Das Ergebnis sind lange Entwicklungszyklen und Performance-Probleme.
Go Backend: Microservices-Overkill
Go ist fantastisch für High-Performance-Services, aber für die meisten Unternehmensbörsen völlig überdimensioniert. Teams verbringen mehr Zeit mit Service-Discovery und Inter-Service-Kommunikation als mit der eigentlichen Business-Logik.
Low-Code: Der goldene Käfig
Vendor Lock-in von Tag 1: Low-Code-Plattformen versprechen schnelle Ergebnisse, aber Sie kaufen sich einen goldenen Käfig. Sobald Sie spezifische Marketplace-Features brauchen - erweiterte Suchfilter, Custom-Workflows, integrierte Zahlungsabwicklung - stoßen Sie an Grenzen.
Explodierende Kosten: Was mit 100 Euro im Monat beginnt, kostet bei 1000 aktiven Nutzern plötzlich 2000 Euro monatlich. Pro-User-Pricing macht bei wachsenden Marktplätzen keinen Sinn.
Performance-Probleme: Low-Code-Plattformen sind für einfache CRUD-Anwendungen optimiert, nicht für komplexe Marketplace-Logik mit Matchmaking, Bewertungen und Multi-User-Flows.
WordPress: Der Plugin-Albtraum
Gut für den Start, gefährlich für die Skalierung: WordPress-Marketplace-Plugins sind verlockend. 200 Euro für ein "komplettes Marketplace-System" klingt fantastisch. Aber sobald Sie über 100 Listings haben oder Custom-Features benötigen, wird es zum Albtraum.
Performance-Kollaps: WordPress wurde für Blogs entwickelt, nicht für datenintensive Marktplätze. Bei steigenden Nutzerzahlen und komplexen Suchanfragen bricht die Performance ein.
Sicherheitsrisiko: WordPress-Plugins sind beliebte Angriffsziele. Für Plattformen, die sensible Unternehmensdaten verarbeiten, ist das inakzeptabel.
Plugin-Konflikt-Hölle: Ein Update des Marketplace-Plugins bricht das SEO-Plugin, das Theme-Update macht die Zahlungsabwicklung kaputt. Sie verbringen mehr Zeit mit Plugin-Management als mit Business-Development.
Unsere Learnings: Was wirklich funktioniert
App und Public Website trennen
Einer unserer wichtigsten Erkenntnisse: Die öffentliche Marketing-Website und die eigentliche Marketplace-Anwendung müssen getrennt sein. Verschiedene Zielgruppen, verschiedene Performance-Anforderungen, verschiedene Update-Zyklen. Ein monolithisches System verlangsamt alles.
Reusable Components für Konsistenz
Konsistente UI-Komponenten sparen nicht nur Entwicklungszeit, sondern helfen auch bei späteren Anpassungen. Wenn Sie das Design des Login-Buttons ändern wollen, sollten Sie das an einer Stelle machen können, nicht an 15 verschiedenen.
Branch Deployments für jeden Feature
Kurze Release-Zyklen sind entscheidend. Jeder Feature-Branch bekommt bei uns ein eigenes Deployment-Environment. Teams können parallel entwickeln, testen und iterieren. Statt monatelang auf das nächste große Release zu warten, gehen Features sofort live.
API-First von Anfang an
Ihre Unternehmensbörse wird nicht nur eine Website bleiben. Mobile App, Partner-Integrationen, White-Label-Lösungen - all das braucht APIs. Wer Backend und Frontend tight koppelt, muss später alles neu bauen.
Die Realität: Zeit ist wichtiger als Perfektion
Der Markt für Unternehmensbörsen ist hart umkämpft. Während Sie 8 Monate auf Ihre Agentur warten, startet Ihr Konkurrent mit einer pragmatischen Lösung und erobert Marktanteile.
Schnell starten, schnell iterieren: Besser eine 80%-Lösung in 4 Wochen als eine 100%-Lösung in 6 Monaten. Der Markt lehrt Sie mehr als jedes Briefing.
Technologie als Enabler, nicht Selbstzweck: Die beste Technologie ist die, die Ihnen nicht im Weg steht. Blazor, Java Enterprise Stacks und Low-Code-Plattformen lösen Probleme, die Sie nicht haben.
User Feedback über Perfektion: Echte Nutzer-Probleme sind wichtiger als elegante Architektur. Erst verstehen, was der Markt braucht, dann perfektionieren.
Fazit: Lernen Sie aus unseren Fehlern
Unternehmensbörsen zu bauen ist komplizierter als es aussieht - aber nicht aus den Gründen, die Sie denken. Die Technologie ist das kleinste Problem. Viel kritischer sind falsche Tool-Entscheidungen, die Sie Monate kosten und am Ende trotzdem nicht zum Ziel führen.
Unsere Empfehlung: Starten Sie pragmatisch, iterieren Sie schnell, und investieren Sie Ihre Zeit in das Verstehen Ihres Marktes, nicht in das Bekämpfen selbstgemachter technischer Probleme.
Sie planen eine Unternehmensbörse oder stecken bereits in einem der beschriebenen Probleme fest? Lassen Sie uns darüber sprechen, wie Sie schneller und günstiger ans Ziel kommen.

Christopher Heckel
Co-Founder & CTO
Christopher hat als CTO des Mittelstandsfinanziers Creditshelf die digitale Transformation von Finanzlösungen für den Mittelstand geleitet. viaductus wurde mit dem Ziel gegründet, mit Technologie für Unternehmensübernahmen und -verkäufe Menschen zu unterstützen, ihre finanziellen Ziele zu erreichen.
Über den Autor

Christopher Heckel
Co-Founder & CTO